Corona - Entschädigung wegen Betriebsschließung
Aus der Sicht von Rechtsanwalts Michael Menzel könnte sich eine effektive Anspruchsgrundlage aus dem jeweiligen Polizeiaufgabengesetz der Bundesländer ergeben. Aus der Sicht des Rechtsanwalts Michael Menzel könnte sich eine effektive Anspruchsgrundlage aus dem jeweiligen Polizeiaufgabengesetz der Bundesländer ergeben.
Da das Infektionsschutzrecht als besonderes Gefahrenabwehrrecht qualifiziert wird, kann ergänzend auf die allgemein-, polizei- und ordnungsrechtlichen Vorschriften zurückgegriffen werden. Diese Rechtsauffassung wird in der Literatur und auch Rechtsanwalt Michael Menzel vertreten. Diese Möglichkeit besteht nach diesseitiger Auffassung, die Entschädigungsregelungen des Infektionsschutzgesetzes sind rechtlich nicht abschließend. In Thüringen wären danach Entschädigungsansprüche nach dem Thüringer Polizeiaufgabengesetz, welche auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen sind, d.h. vor den Landgerichten, was den Vorteil hat, dass hier mit einer beschleunigten Verfahrensweise zu rechnen ist.
So heißt es z. B. im Thüringer Polizeiaufgabengesetz, § 68:
"Erleidet jemand infolge einer rechtmäßigen Inanspruchnahme ein Schaden, ist ihm ein angemessener Ausgleich zu gewähren. Das gleiche gilt, wenn jemand durch eine rechtswidrige Maßnahme der Polizei einen Schaden erleidet."
Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Maßnahmen, die ergriffen worden sind, rechtmäßig sind. Damit würde § 68 Abs. 1 S. 1 greifen. Der Schadensumfang richtet sich nach § 69 PAG.
In § 69 heißt es:
"Der Ausgleich nach § 68 wird grundsätzlich nur für Vermögensschäden gewährt. Für entgangenen Gewinn, der über den Ausfall des gewöhnlichen Verdienstes oder Nutzungsentgeltes hinausgeht, und für Nachteile, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der polizeilichen Maßnahme stehen, ist ein Ausgleich nur zu gewähren, wenn und soweit dies zur Abwendung unbilliger Härten geboten erscheint."
In § 69 Abs. 3 heißt es:
"Der Ausgleich wird in Geld gewährt."
Anspruchsgrundlage für ein eingetretenen Vermögensschaden ist § 69 Abs. 1 S. 1. Der entgangene Gewinn kann dann geltend gemacht werden, wenn die Nachteile, die der Geschädigte erleidet, für ihn eine unbillige Härte darstellt.
In der gegenwärtigen Situation ist deshalb zumindestens davon auszugehen, dass der Vermögensschaden ersetzt werden muss. Ob und inwieweit der entgangene Gewinn zusätzlich geltend gemacht werden kann, hängt sicherlich von der Argumentation ab.
Der Unterzeichner möchte darauf hinweisen, dass die hier vertretene Rechtsauffassung natürlich bedingt durch die völlig neue Situation noch durch kein Gericht so entschieden worden ist, so dass man auch keine vergleichbaren Urteile hinzuziehen kann. Nach meinen Dafürhalten sprechen aber gute Gründe dafür, dass man davon ausgehen kann, dass das Infektionsschutzgesetz abschließend ist, so dass der Rückgriff auf das in den jeweiligen Bundesländern geltende Polizeiaufgabengesetz, nach meinem Dafürhalten zulässig ist.
Ansprüche nach dem Thüringer PAG verjähren nach drei Jahren.
Zur Konkretisierung beziehen wir uns auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Sachsen Anhalt vom 11.01.2018, Az. 9 U 48/17.
Die wesentlichen Aussagen dieser Entscheidung wollen wir hier darstellen. In dieser Entscheidung ging es um folgenden (zusammengefassten) Sachverhalt.
Nach einem Feldsturz in der näheren Umgebung des Grundstücks des Klägers wurde die Gaststätte und Pension durch den Bescheid des Landkreises vom 05.07.2012 geschlossen und zwar zum Schutz von Leib und Leben. Bis zum Widerruf des Bescheides, der am 29.11.2012 erklärt wurde, konnte der Gastwirt keine Gäste bewirten oder beherbergen. Der Gastwirt machte Ansprüche auf angemessenen Ausgleich, nach dem in Sachsen-Anhalt geltenden Polizeiaufgabengesetz geltend.
Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt hat sich hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang Ausgleichsansprüche gewähren zu sind, wie folgt positioniert:
- Besteht die Einwirkung in einer Substanzbeschädigung, kann der Entschädigungsanspruch auf vollen Schadensersatz gehen und den Ausgleich der Folgen umfassen, die sich aus der Beeinträchtigung der Nutzung des betroffenen Grundstückes entwickeln. Dies ist bei der Beeinträchtigung der gewerblichen Nutzung eines Grundstückes regelmäßig die Ertragseinbuße, die aus dem Schadensereignis folgt.
- Die vermögenswerten Betriebsnachteile sind nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung auszugleichen. Sie unterscheidet sich von der Schadloshaltung darin, dass nicht, wie es in § 249 S. 1 BGB fordert, der Zustand herzustellen ist, der bestehen würde, wenn die Störung nicht eingetreten wäre. Der Ausgleich beschränkt sich vielmehr auf die Beseitigung der durch die Störung eingetretenen Vermögenseinbuße, deren Abgrenzung vom Schaden sich allerdings nicht allein durch die Ausschaltung hypothetischer Kausalverläufe herstellen lässt, sondern darüber hinaus einer wertenden Entscheidung bedarf. Bei vorübergehenden Eingriffen in den Gewerbebetrieb kann der Ausgleichsbemessung unmittelbar während der Dauer der Beeinträchtigung eingetretene Ertragsverlust bzw. der ausgebliebenen Gewinne zugrundegelegt werden (vergleiche auch BGH Urteil vom 23.02.2001, AZ. V ZR 389/99
- Die Darlegung des entgangenen Gewinns stellt mithin in der hier vorliegenden Konstellation eines vorübergehenden Eingriffs in den Gewerbebetrieb ein Anknüpfungspunkt für die Bemessung des angemessenen Ausgleichs dar
- Der entgangene Gewinn aus gewerblicher Tätigkeit ist ein Vermögensschaden, § 70 Abs. 1 SOG LSA (Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA)
- Die Systematik von § 70 Abs. 1 SOG LSA zeigt deutlich, dass entgangener Gewinn, der über den Ausfall des gewöhnlichen Verdienstes nicht hinausgeht, erfasst ist. Absatz 1 S. 2 regelt die Ausnahme für denjenigen entgangenen Gewinn, der über den üblichen Ausfall hinausgeht. Nur für diesen Fall und für den hier ersichtlich nicht vorliegenden Fall eines Nachteils, der nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Maßnahme der Sicherheitsbehörde steht, ist die Darlegung unbilliger Härte geboten.
Die Regelung im Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt ist vergleichbar mit vielen anderen Gesetzen der unterschiedlichen Bundesländer.
Wesentlich ist, dass nach Auffassung des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt der Schadensausgleich nach den vorgenannten Regelungen stattzufinden hat.
Wir hoffen mit diesen Ausführungen klargestellt zu haben, dass sich aus dem Polizeiaufgabengesetz bei entsprechender Anwendung durchaus ein sehr weitgehender Schadensausgleichsanspruch ergeben kann.