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Berufsgenossenschaft - falscher Gefahrentarif - es geht um viel Geld

Berufsgenossenschaft - falscher Gefahrentarif - es geht um viel Geld


Bei einer falschen gefahrtariflichen Veranlagung eines Unternehmers kann es ganz schnell mal um sehr viel Geld gehen. Entsprechend einer Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg, 2. Senat, Az. L 2 U 22/20, vom 07.07.2021, wurde der Streitwert auf 772.166,06 ? festgesetzt. Für das Unternehmen ging es also um eine Menge Geld. Das klagende Unternehmen wurde mit Bescheid vom 23. November 2012 veranlagt, mit Wirkung zum Januar 2013 zu der Gefahrentarifstelle 6, die sich unter anderem auf den Handel mit Baustoffen und Bauelementen bezog, mit der Gefahrklasse 2,92. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Im Jahr 2016 forderte die BG von der Klägerin für das Beitragsjahr 2015 insgesamt 280.000,00 ? an. Gegen den Bescheid legt das Unternehmen Widerspruch ein und beantragte die Überprüfung des Veranlagungsbescheides aus dem Jahr 2012. Weiterhin beantragte die Unternehmerin ausdrücklich die Änderung der Veranlagung von der Gefahrtarifstelle 6 in die Gefahrtarifstelle 14 (Unternehmen ohne Warenumgang) mit der Gefahrklasse 0,54 und zwar rückwirkend zum Januar 2013. Mit entsprechendem Bescheid lehnte die BG den Antrag auf Änderung ab. Dagegen wurde Widerspruch erhoben und anschließend Klage.


Als spezielle Rechtsgrundlage für die rückwirkende Änderung eines Veranlagungsbescheides kam hier allein § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII Betracht, der der allgemeinen Vorschrift des §§ 44 SGB X vorgeht. Nur in den nicht von § 160 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VII erfassten Tatbeständen kommt § 116 Abs. 3 SGB VII zur Anwendung und es ist auf die allgemeinen Regeln der § 44 ff. SGB X zurückzugreifen. Gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII wird ein Veranlagungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben, soweit die Veranlagung zu einer zu hohen Gefahrenklasse von den Unternehmern nicht zu vertreten ist.


Genau das war die Argumentation im vorliegenden Rechtsstreit. Der Unternehmer hat ausgeführt, dass der Veranlagungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben ist, da die Veranlagung zu einer hohen Gefahrenklasse von ihm nicht zu vertreten war. Ein solcher Fall, der eine rückwirkende Aufhebung eines Veranlagungsbescheides des Unfallversicherungsträgers zu Gunsten des Unternehmens rechtfertigen könnte, wäre z.B. gegeben, wenn ein selbständiger Betriebsteil nicht gesondert in dem nach § 159 SGB VII ergangenen Veranlagungsbescheid erfasst worden ist. Unterschiedliche Gewerbezweige sind verschiedenen Gefahrentarifen zuzuordnen. So kann es durchaus sein, dass für einen fremdartigen Unternehmensteil nach § 157 Abs. 4 SGB VII der Gefahrentarif einer anderen Berufsgenossenschaft zu wählen ist. Ist ein solcher fremdartiger Unternehmensteil nicht berücksichtigt, so ist der Gefahrentarif fehlerhaft (Landessozialgericht Hamburg, 3. Senat, Urteil vom 15.08.2017, L 3 U 29/13).


Hat der jeweilige Unternehmer Bedenken, dass der Gefahrentarif falsch gewählt wurde, ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine rückwirkende Aufhebung des Veranlagungsbescheides sinnvoll und durchsetzbar ist.


Mitgeteilt von

Rechtsanwalt Michael Menzel, Erfurt